Heute ist ein besonderer Tag, denn heute knickt meine Route ab. Während sie mich bisher weitgehend von Westen nach Osten geführt hat (so dass ich morgens bei der Abfahrt immer die tiefstehende Sonne von vorne hatte), fahre ich ab heute hauptsächlich Richtung Norden. Jetzt sind es tatsächlich nur noch vier Stationen und dann geht es auch schon wieder heim zur besten Ehefrau von allen, zu meinen Lieben und zu meinen Freunden. Aber bis dahin liegt noch ein kleines Stückchen Weg vor mir.
Beim Auschecken entwickelte sich der Smalltalk mit dem Hotelinhaber schnell zu einer interessierten Diskussion. Als er hörte, dass ich auf den alten Highway 61 wollte, empfahl er mir, unbedingt nach Clarksdale zu fahren, was ich sowieso fest eingeplant habe, da sich dort das Delta Blues Museum befindet. Er gab mir aber noch weitere Tipps bis hin zu Restaurants, in denen man gut essen kann.
Nach dem erforderlichen Tanken (Durchschnittsverbrauch bisher 7,6l/100km) machte ich mich auf meinen Weg, der mich heute bis Vicksburg führen wird. Ich fahre auf dem ISH 55 nach Norden zuerst wieder über lange Brücken durch ausgedehnte Sumpfgebiete, ehe ich mich soweit vom Mississippi entfernt habe, dass das Land trockener wird.
Nach einer Stunde verlasse ich den ISH jedoch und fahre über kleine und endlose schnurgerade Nebenstrecken Richtung Natchez und damit auch wieder Richtung Mississippi. Drei Punkte fallen mir während dieser Fahrt besonders ins Auge:
– Hier ist eine sehr waldreiche Gegend (Homochitto National Forest) und mir kommen zahlreiche Laster mit gefällten Bäumen entgegen. Hier wird also ganz schön ausgedünnt.
– Es gibt hier unglaublich viele Kirchen, sei es von Baptisten, Methodisten oder Pfingstlern. Sie befinden sich alle direkt am Straßenrand, so dass sie gut zu erreichen sind, wohingegen man kaum Wohnhäuser sieht, die vermutlich verstreut von der Straße weg im Wald liegen.
– Ich bin ja mittlerweile im Bundesstaat Mississippi, der das wirtschaftliche Schlusslicht der USA bildet. Ich hatte erwartet, viel mehr Armut und Verfall zu sehen. Aber auf der heutigen Tour zumindest war das Gegenteil der Fall. Ich habe großenteils große gepflegte Häuser gesehen oder hübsche Anwesen, die mit weißen Zäunen umgeben waren. Selbst die Straßen waren in hervorragendem Zustand und drüberhinaus links und rechts von Unkraut und Buschwerk freigehalten, so dass es mit den gemähten Wiesen fast parkähnlich wirkte. Und in der Kleinstadt Port Gibson (1.500 Einwohner) sehe ich teilweise Villen, die mich schon ein wenig an den Garden District in New Orleans erinnern.
Kurz hinter Port Gibson kommt eine Abzweigung zur ‚Gulf Coast Nuclear Power Plant‘, also einem Kernkraftwerk. Dass kurz danach ein Hinweisschild an der Straße stand ‚Evacuation Road‘, war nicht unbedingt beruhigend…
Aber eine Weile vor Port Gibson hatte ich bereits Natchez und damit den Mississippi wieder erreicht. Natchez ist der Name der indianischen Ureinwohner, die früher (ab 1.200 n.Chr.) in diesem Gebiet mit ihrem gottähnlichen Häuptling an der Spitze gelebt haben und in Natchez gibt es auch ein kleines Museum, das sich mit der Geschichte dieser Ureinwohner auseinandersetzt.
Ich hatte mir ein wenig mehr von diesem Museum erhofft, denn es zeigte zwar interessante Exponate im kleinen Museum, aber draußen nur die Hügel (deren religiöse Bedeutung vorab in einem kurzen Film erläutert wurde) sowie Hütten in recht schlechtem Zustand.
Somit machte ich bereits nach einer halben Stunde auf den weiteren Weg nach Vicksburg, der mich jetzt schon auf dem Highway 61 weiterführte und den ich morgen auf meiner gesamten Strecke befahren werde,
In Vicksburg besuchte ich zuerst das Coca Cola Museum. Man muss dazu wissen, dass Coca Cola zwar in Atlanta (wo sich heute auch die Firmenzentrale befindet) erfunden wurde, aber dort nur aus großen Behältern bei Bestellung in einzelne Gläser abgefüllt wurde (Soda Fountain). In Vicksburg dagegen wurde wenige Jahre später die Idee der Flaschenabfüllung geboren, wodurch Coca Cola überhaupt erst seinen weltweiten Siegeszug antreten konnte.
Nach dem Einchecken in das direkt am Mississippi gelegene Hotel machte ich mich nach einer kleinen Ruhepause auf zum Vicksburg Military National Park. Hier fand eine für den amerikanischen Bürgerkrieg mindestens genauso bedeutende Schlacht statt wie in Gettysburg. Als es General Grant gelang, nach einer mehrwöchigen Belagerung Vicksburg einzunehmen, hatten die Unionstruppen des Nordens die Kontrolle über den Mississippi erlangt und damit die dauerhafte Versorgung ihrer eigenen Truppen sichergestellt.
Der Park ist riesengroß, wirkte aber mit seiner Unmenge an Gedenksteinen, welche Truppen wo gelagert haben, etwas steril auf mich. Aber einen lebendigen Eindruck aus dieser Zeit haben die meisten von uns ja bereits durch das Buch von Margaret Mitchell „Vom Winde verweht“ oder dessen Verfilmung mit Vivien Leigh und Clark Gable erhalten.